Der ganzheitliche Mensch

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In der Systemtheorie nach Niklas Luhmann besteht jeder Mensch aus einem

  • biologischen
  • psychischen
  • sozialen

System.

Alle drei Systeme sind durch Rückkopplungsschleifen miteinander verbunden. Das heißt, alle Systeme beeinflussen sich gegenseitig und sind voneinander abhängig. Biologische, psychische und soziale Systeme operieren auf eine ganz bestimmte Weise. Biologische Systeme leben. Psychische Systeme operieren in Bewusstheitsprozessen wie z.B. Denken und Wahrnehmen. Die Operationsweise des sozialen Systems ist die Kommunikation.

Häufig machen wir die Erfahrung, dass Krankheiten zum Großteil über das biologische System behandelt werden. Bei einer Neurodermitserkrankung werden meist die Ekzeme äußerlich behandelt, evtl. findet eine Darmsanierung, oder auch wenn nötig eine Ernährungsumstellung statt. Das biologische System wird inspiziert, analysiert und äußerlich oder auch innerlich behandelt. Nun stellt sich jedoch die Frage, welche Veränderungen ergeben sich im Laufe der Erkrankung im sozialen und im psychischen System durch die Erkrankung?

Das soziale, also das familiäre System verändert sich bei einer lang anhaltenden chronischen Erkrankung des Kindes so gut wie immer. Meist wird die Krankheit zu einem sehr prägnanten Thema in der Familie, über das, aufgrund der großen Sorge, viel kommuniziert wird. Dadurch, dass die Erkrankung lange andauert, verfestigt sich das Thema im Familienalltag. Dies aber nicht im positiven Sinne. Bei einem erneut auftretenden Schub werden alle in Stress, Anspannung und Hilflosigkeit versetzt, wenn es nun doch wieder nicht gelungen ist, seinem Kind zu helfen. Die Sorgen und teilweise auch Schuldgefühle werden hierdurch immer größer. Des Weiteren passiert es häufig, dass sie die Krankheit die meiste Aufmerksamkeit bekommt, aus der großen Sorge um das Wohl des Kindes. Dies kann dazu führen, dass die Krankheit hierdurch potenziert wird.

Eine Abwärtsspirale setzt ein

Durch die lang anhaltende Erkrankung beginnen sich die Gedanken im Kreis zu drehen. Folgende Fragen verfestigen im Laufe der Erkrankung:

  • Wie kann ich meinem Kind helfen?
  • Wie können wir mit der Erkrankung leben?
  • Welche Auswirkungen wird die Erkrankung haben?
  • Warum ist genau unser Kind erkrankt?
  • Wer ist schuld daran?
  • Habe ich als Mama oder Papa einen Fehler gemacht?

Im weiteren Verlauf beginnt es, dass man anfängt zu bewerten, zu be- oder verurteilen und sich schuldig und hilflos zu fühlen. Hierdurch setzt chronischer Stress ein, der keinen positiven Effekt auf den Verlauf der Krankheit hat.

Das Gehirn und der Köper produziert durch die lang anhaltende Sorge und durch den großen Kummer immer mehr Stresshormone, die sich im Laufe der Zeit verfestigen. Meist versucht man, die Krankheit zu analysieren, zu verstehen, zu hinterfragen bis schließlich kaum noch Raum für andere Aspekte im Leben zu finden sind. Freunde und Verwandte, die zu Besuch kommen, informieren sich sofort nach dem Hautzustand des Kindes und je länger dieser Prozess andauert, desto intensiver wird die Krankheit.


Unser Denken, Handeln und Fühlen macht unsere Persönlichkeit aus. Durch die chronische Erkrankung passiert es, dass sie zum Hauptbestandteil vieler Eltern wird, und die Stresshormone übernehmen die Kontrolle. Sobald wir etwas als stressig oder bedrohlich erleben, tritt das sympathische Nervensystem bzw. der Sympathikus ein. Das bedeutet unser Körper wird in den Überlebensmodus gestellt, der dazu führt, dass Stresshormone wie Adrenalin und Cortisol ausgeschüttet werden.

Die Neuroplastizität des Gehirns

In den letzten Jahren wurden immer mehr über die sogenannte Neuroplastizität bekannt. Neuroplastizität ist die Fähigkeit des Gehirns, sich den Umständen anzupassen, zu ändern und weiterzuentwickeln. Diese Fähigkeit führt auch dazu, dass unser Gehirn teilweise erstaunliche Selbstheilungskräfte entwickelt.

Alle Handlungen, die wir unternehmen, sind das Ergebnis von elektrischen Impulsen, die über Nervenfasern geschickt werden. Grundsätzlich ist unser Gehirn ein Bündel von Leitungen, den sogenannten Neuronen, die durch Synapsen miteinander verbunden sind.
Immer wenn etwas geübt wird, aktiviert sich ein anderer hoch spezifischer Schaltkreis. Je häufiger wir einen Schaltkreis für eine bestimmte Fähigkeit benutzen, desto weniger sind wir uns bewusst, dass wir ihn benutzen. Es beginnt ein Automatismus.
Das beste Beispiel hierzu ist das Autofahren, das im Laufe der Zeit ohne jegliche Denkaktion vonstatten geht. Je häufiger wir uns über etwas Gedanken machen, desto intensiver festigen sich unsere Gedanken und Haltungen im Unterbewusstsein.
Was auch immer wir wiederholt erfahren, denken und fühlen, erschafft langsam aber sicher eine neuronale Struktur. Das bedeutet aber natürlich auch, dass wir dazu in der Lage sind, aus der negativen Abwärtsspirale auszutreten. Du bist, was du denkst. Doch wie können wir unsere Gedanken, Werte und Haltungen nachhaltig verändern?

Natürlich ist es zu Beginn schwierig, sich einzureden, dass alles nicht so schlimm ist, da sich an der Situation in Bezug auf die Krankheit nichts verändert hat. Es ist hier wichtig, wieder andere Dinge in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stellen, um eben aus der Abwärtsspirale austreten zu können. Es stellt sich hier die Frage, was der größte Aufmerksamkeitslieferant ist? Die chronische Krankheit und ihre Symptome oder das Kind und seine Ressourcen?

Quellen:

Berghaus Margot, Luhmann leicht gemacht, Köln 2011
Dr. Dispenza Joe, Werde Übernatürlich, Burgrain 2017
Doidge Norman, Neustart im Kopf, Wie sich unser Gehirn selbst repariert, Frankfurt 2017
Lotto Beau, Anders sehen, Die verblüffende Wissenschaft der Wahrnehmung, München 2018

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